Peter Körner: „Jetzt ist es mit Dir aus“

Das neue Buch von Peter Körner über die Reichspogromnacht 1938 in Aschaffenburg wurde am Mittwoch (heute) vor gut 200 Besucherinnen und Besuchern im Martinushaus vorgestellt. Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Klaus Herzog referierte Prof. Dr. Magnus Brechtken, stellvertretender Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte über die „Vergangenheitsaufarbeitung in Deutschland nach dem Ende der Nazidiktatur“. Er unterschied dabei zwischen der juristisch-politischen, der wissenschaftlichen und der gesellschaftlichen Ebene. So zeigte er auf, dass die Nürnberger Prozesse nicht nur zu Anklagen und Urteilen gegen die vordersten Nazigrößen geführt haben, sondern auch bei der breiten Bevölkerung das Verdrängen, Vergessen und Weißwaschen verstärkt haben. Dort die Nazis, der Rest wird zum Mitläufer. Alle wussten Bescheid, aber niemand sprach darüber. Übrigens war dieses große Schweigen auch in Familien und gegenüber Söhnen und Töchtern allgegenwärtig. Auch wegen der engen Verflechtung zwischen Historikern an den Universitäten unterblieb lange eine wissenschaftlich Aufarbeitung des Naziterrors gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern. Auch ein Grund, um Ende der vierziger Jahre das Institut für Zeitgeschichte in München zu gründen. Es sollte dennoch bis Ende der siebziger Jahre dauern, bis die Fernsehserie Holocaust eine breite öffentliche Debatte auslöste. Mit der Gründung von Geschichtswerkstätten und anderen Initiativen begann danach auch eine verstärkte regionale bzw. lokale Spurensuche nach Opfern und Tätern.

Am Beispiel von Albert Speer, dem mehr oder weniger zweiten Mann der Nazis, zeigte Brechtken auf, dass trotz klarer Beweise bis heute viele glauben, dass der nichts von der Judenvernichtung, von Auschwitz gewusst haben will. Obwohl die entsprechenden Dokumente spätestens seit Ende der sechziger Jahre publiziert waren waren und sogar in einem von Speer selbst redigierten Buch erwähnt worden sind. Und war damit ein Spiegelbild der Gesellschaft. „Wie kann ich etwas gewusst haben, wenn nicht einmal der Minister informiert war“.

Abschließend forderte Brechtken die Sicherung von Quellen, bei der Recherche eine saubere Analyse statt die Fortschreibung von Vorurteilen und begrüßte die lokale und regionale Forschung. Er plädierte für eine stärkere Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement und forderte auf, sich eigene Meinungen zu bilden. Oberbürgermeister Herzog rief in einem kurzen Schlusswort alle Demokraten auf, „hellwach zu sein“. Das gemeinsame unter den demokratischen Kräften gegen den Rechtspopulismus sei viel stärker als die Differenzen.

Peter Körner signierte auf Wunsch sein neues Buch und bedankte sich für die große Unterstützung etwa durch das Lektorat und die Geduld des Stadtrats bzw. der Stadt trotz der vielen Verzögerungen. Musikalisch eingerahmt waren die Beiträge von Gustav Kokemoor am Cello und Martin Oberhofer am Klavier.Insgesamt eine sehr gelungene Veranstaltung. Bedauerlich, dass nur sehr wenige junge Leute gekommen waren. Buchbesprechung folgt demnächst.

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