Scheuers Tanz um die heilige Kuh

Es sei ein Signal, wenn „sich über hundert Wissenschaftler zusammentun“ und die gängigen Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub in Zweifel ziehen. Soweit Verkehrsministerdarsteller Andreas Scheuer. Geschrieben hatten diesen Brief zwei Lungenärzte und zwei Autoexperten, unterzeichnet hatten rund 100 Lungenärzte von denen die meisten eben keine Wissenschaftler sind. Laut LobbyControl haben die Autoexperten enge Verbindungen zur Automobilindustrie: Matthias Klinger, Chef des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme und Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie, der vormals zehn Jahre lang für die Daimler AG gearbeitet habe.

Auch wenn alsbald eine Reihe Experten, die nachweislich zu Schadstoffen, Stickoxiden oder Feinstaub forschen, den Thesen des Briefs widersprachen, erweckte der Minister den Eindruck, es sei jetzt endlich Schluss mit Fahrverboten, die Grenzwerte viel zu niedrig und eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung komme nicht in Frage. Mit seinen Worten: Tempolimit – Gegen jeden Menschenverstand! Grenzwerte willkürlich und veraltet! Messstationen Blödsinn!

Betrachten wir nur einmal die Forderung nach einer Überprüfung der Grenzwerte, die er übrigens gar nicht ändern kann, weil dies Sache der EU ist. In den jüngsten Empfehlungen aus den Luftqualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden erneut die schwerwiegenden Auswirkungen auf die Gesundheit betont und der Wert von 40 μg/m3 im Jahresdurchschnitt bestätigt. Da heißt es: „Nicht nur durch Feinstaub, sondern auch wegen Ozon (O3), Stickstoffdioxid (NO2) und Schwefeldioxid (SO2) bestehen ernste Gesundheitsrisiken.[1]“ In einer umfangreichen Überprüfung 2013 hat die WHO festgehalten: „Inzwischen wurden weitere Studien veröffentlicht, die Zusammenhänge zwischen der längerfristigen Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) und Sterblichkeit bzw. Krankheitshäufigkeit aufzeigen.[2]

Die Europäische Umweltagentur (EEA) erstellt jährlich Gesundheitsrisikobewertungen zur Luftverschmutzung auf europäischer Ebene. Diese stellen eine objektive und vergleichbare Schätzung der Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Bevölkerung dar. Demnach sind mehr als 400.000 vorzeitige Todesfälle in der Europäischen Union auf die Luftverschmutzung zurückzuführen.

Die geltenden EU-Grenzwerte bzw. die Luftqualitäts-Richtlinie, die von allen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament verabschiedet wurden, basieren auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der weltweit führenden Autorität in Gesundheitsfragen und werden von unzähligen wissenschaftlichen Studien gestützt.

Scheuer nimmt es, freundlich formuliert, mit der Wahrheit nicht allzu genau. Statt den Dieselbetrügern das Handwerk zu legen betreibt er, wie seine Vorgänger, das Geschäft der Konzerne. Warum lässt er sich nicht gleich von der Autoindustrie bezahlen, wenn er schon ihre Arbeit macht? Inhaltlich würde das kaum einen Unterschied machen, die eingesparten Steuermittel könnten jedoch besser genutzt werden!


[1] „There are serious risks to health not only from exposure to PM, but also from exposure to ozone (O3), nitrogen dioxide (NO2) and sulfur dioxide (SO2)“.

[2] “More studies have now been published, showing associations between long-term exposure to NO2 and mortality and morbidity.“

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